>> Suse Krawagna /// David Komary /// 2011

Suse Krawagna untersucht in ihrer Malerei die Variabilität abstrakter Farbflächenkonstellationen. Ihre unbetitelte dreiteilige Bildserie zeigt Variationen einer Anordnung paralleler vertikaler Farbbalken. In den drei Bildern werden „Inszenierungen“ dieser abstrakten Anordnung durchgespielt. Das einzelne Bild wird zum Schauplatz der ästhetischen Performanz des farbfeldähnlichen Kompositums. Wiederholung, Modifikation und Abweichung bestimmen die Formgenese im malerischen Prozess. Nicht unähnlich der variierenden Wiederholung, der entwickelnden Variation eines musikalischen Motivs, werden die farbigen Streifen wiederholt ins Bild gesetzt, dabei von Bild zu Bild jedoch geringfügig verändert. Statt eine feststehende Farbfeldkonstellation im Sinne einer Metaform als Ausgangspunkt zu nehmen, macht Krawagna jedes neue Bild zum Bezugspunkt für das jeweils folgende. Auf diese Weise entsteht ein das Einzelbild überschreitender ikonischer Zusammenhang, eine auf Sukzession beruhende interpiktorale Verweisstruktur.

Architektonische Formen und Schemata bilden in Krawagnas Werk oftmals einen kaum noch erkennbaren Referenzpunkt, doch führt die Künstlerin die Formen gezielt in den non-repräsentativen Verhandlungsraum, den Flächenraum der Malerei über: In der Weiterentwicklung der Formkonstellation von Bild zu Bild wird jeder mögliche außerbildliche Bezug entkräftet, einzig das jeweilige „Vorbild“ ist von Bedeutung. Die vermeintlich stabile Ordnung der vertikalen Farbfelder wird durch die latenten Modifikationen von Platzierung, Form, Farbnuancierung destabilisiert und in Unruhe versetzt. Krawagnas malerisches Interesse gilt weniger der jeweiligen Setzung, sondern der möglichen Veränderung und Abweichung, nicht der mimetischen Wiederholung der Form, sondern der liminalen Differenz zum benachbarten Bild. Ihre Bildserie eröffnet einen Möglichkeitsraum, in dem stets auch andere Erscheinungsformen des formalen Themas vorstellbar werden. Die Serie bildet dabei den Ausschnitt eines Kontinuums möglicher Erscheinungsformen, einer imaginären Malerei jenseits der ikonischen Präsenz des singulären Bildes. Angesichts dieser Simultanität aktuell wahrgenommener und imaginärer Erscheinungen wird der/die BetrachterIn der Labilität der Wahrnehmung, zugleich aber auch der eigenen Strukturierungstätigkeit gewahr. Krawagnas Bildmodulationen, die zwischen den Bildern auftretenden „Störungen“ und Abweichungen, bedingen ein vergleichendes „Sehen in freier Variation“ (Max Imdahl). Krawagnas Malerei lässt die ikonische Wahrnehmung als einen sich stetig fortschreibenden, prinzipiell infiniten Prozess der Differenzierung erscheinen.

(Katalogtext zur Ausstellung "streng geometrisch", Museum Moderner Kunst Kärnten, 2011)